Was ist juvenile idiopathische Arthritis (JIA)?
Die Juvenile Idiopathische Arthritis (kurz: JIA) ist die verbreitetste Form des Rheumas bei Kindern. In Deutschland sind momentan rund 15.000 Kinder und Jugendliche von dem kindlichen Gelenkrheuma betroffen, wobei in der Medizin acht Unterformen der Erkrankung unterschieden werden. Allen gemeinsam ist jedoch, dass die betroffenen Kinder an einer Gelenkentzündung (Arthritis) leiden, für die sich keine konkrete Ursache identifizieren lässt. Die Probleme treten üblicherweise zum ersten Mal vor dem 16. Lebensjahr auf und dauern mehr als sechs Wochen an.
Anders als bei erwachsenen Rheuma-Patienten ist der Verlauf von Kinderrheuma individuell sehr individuell. Manche Kinder erleben nur eine kurze Episode, die wieder vollständig abklingt, während andere wiederholt Schübe haben oder chronisch erkranken. Diese sehr unterschiedlichen Verläufe hängen unter anderem mit der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung des Immunsystems der Kinder zusammen. Gleichzeitig gibt es eine beruhigende Nachricht: Bei Kindern kommt es deutlich häufiger als bei Erwachsenen zu einer spontanen Remission, also einem plötzlichen und dauerhaften Abklingen der Symptome.
Generell spielen bei Kindern andere immunologische Mechanismen eine Rolle, deren Funktionsweise noch nicht endgültig geklärt ist. Dennoch hat sich in der Forschung in den letzten Jahren viel getan. So wissen wir heute nicht nur viel mehr über die juvenile idiopathische Arthritis, sondern können zur Linderung von Beschwerden und Vorbeugung von Komplikationen auch auf neue Behandlungsmethoden zurückgreifen. Entscheidend für den Behandlungserfolg ist jedoch, frühzeitig zu handeln und schon bei ersten Symptomen ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dann stehen die Chancen gut, dass Ihre Kinder trotz einer möglichen juvenilen idiopathischen Arthritis ein aktives und weitgehend beschwerdefreies Leben führen können.
Symptome und Früherkennung
Die juvenile idiopathische Arthritis kann sich in verschiedenen Formen zeigen. Je nachdem, um welche Unterform es sich handelt, können die Symptome variieren:
Oligoartikuläre JIA
- oft einseitige Betroffenheit einiger weniger großer Gelenke wie Knie, Sprunggelenk, Ellenbogen
- auffälliges Bewegungsmuster (z. B. Hinken)
- unruhiger Schlaf
- oft (aber nicht immer) erhöhte antinukleare Antikörper (ANA) im Blut
- Augenentzündung
Rheumafaktor-negative polyartikuläre JIA
- gleichzeitige, beidseitige Betroffenheit kleiner und großer Gelenke
- teilweise starke Schwellungen
- unspezifische Gelenkschmerzen und -steifigkeit
- gestörter Nachtschlaf
- manchmal Fieber und/oder Blutarmut
Rheumafaktor-positive polyartikuläre JIA
- gleichzeitige, beidseitige Betroffenheit kleiner und großer Gelenke
- teilweise starke Schwellungen
- unspezifische Gelenkschmerzen und -steifigkeit
- gestörter Nachtschlaf
- manchmal Fieber und/oder Blutarmut
- Rheumaknötchen innerhalb der Sehnenverläufe an mechanisch belasteten Stellen
- deutlich schubweiser und aggressiverer Verlauf als Rheumafaktor-negative Variante
Enthesitis-assoziierte Arthritis
- asymmetrischer Befall, beginnend mit wenigen großen Gelenken (Hüfte, Knie, Sprunggelenke), später auch andere Gelenke betroffen
- Schmerzen an den Ansatzstellen der Sehnen, oft an der Ferse (Achillessehne) oder Fußsohle
- Rückenschmerzen nach längerem Sitzen oder Liegen
- Augenentzündung (Regenbogenhautentzündung)
Juvenile Psoriasarthritis
- meist asymmetrischer Befall einzelner Finger oder Zehen
- in Verbindung mit chronischer Hauterkrankung (Schuppenflechte)
- teilweise sichtbar in Form von kleinen Tüpfelchen oder Verhornungsstörungen an den Fingernägeln
Undifferenzierte Arthritis
Zeigt ein Kind verschiedene der oben genannten Symptome, die sich aber nicht eindeutig nur einer bestimmten Unterform zuordnen lassen, sprechen wir von einer undifferenzierten Arthritis. Auch wenn einzelne Kriterien fehlen, die einen eindeutigen Hinweis auf eine bestimmte Unterform geben würden, liegt eine undifferenzierte Arthritis vor.
Systemische JIA (Morbus Sill):
Diese Unterform ist eine Besonderheit, da hier nicht nur die Gelenke betroffen sind, sondern der ganze Körper (das ganze "System" - daher der Name) in Mitleidenschaft gezogen ist. Typische Symptome sind:
- individuell sehr unterschiedliches Befallsmuster
- unspezifische Gelenk- und Muskelschmerzen
- Fieber
- lachsfarbener Hautausschlag
- Entzündungen an anderen Organen (z. B. Herz, Lunge, Lymphknoten)
- Flüssigkeitsansammlungen unter der Lunge, im Herzbeutel oder im Bauchfell
- Blutarmut
Hinweis: Viele Patienten mit JIA leiden an Augenentzündungen, die ohne Behandlung zu dauerhaften Augenschäden führen können. Um das zu verhindern, sind regelmäßige augenärztliche Kontrollen unverzichtbar.
Sollten Sie als Eltern einige der genannten Symptome bei Ihrem Kind feststellen, zögern Sie bitte nicht, einen Arzt aufzusuchen. Auch verdickte und/oder schmerzende Gelenke, Gelenksteifigkeit am Morgen oder Schonhaltungen (z. B. Humpeln) können frühe Anzeichen für eine juvenile idiopathische Arthritis sein. Das gilt ebenso für Verfärbungen oder Verhärtungen einzelner Hautbereiche, Fieberschübe oder vergrößerte Lymphknoten ohne erklärbare Ursache. Nehmen Sie diese Zeichen erst und teilen Sie dem Kinderarzt ruhig Ihre Sorgen mit. Fragen Sie gegebenenfalls ausdrücklich nach, ob es sich vielleicht um Kinderrheuma / juvenile idiopathische Arthritis handeln könnte.
Ursachen der JIA
Die Ursachen der JIA sind noch nicht endgültig geklärt. Was wir wissen: Die juvenile idiopathische Arthritis ist zwar keine Erbkrankheit im klassischen Sinn, aber genetische Faktoren spielen wahrscheinlich dennoch eine Rolle. Besondere Auslöser für den Ausbruch der Krankheit sind jedoch nicht bekannt. Allerdings gehört die juvenile idiopathische Arthritis zu den Autoimmunerkrankungen, die verschiedene Ursachen haben können.
Bei diesen Erkrankungen kommt es zu einer gestörten Abwehrreaktion des Körpers, bei der das Immunsystem den eigenen Körper angreift. Das führt insbesondere an der Gelenkinnenhaut zu Entzündungen, die dadurch vermehrt Gelenkflüssigkeit produziert und schließlich anschwillt. Das wiederum kann nicht nur den Knorpel beeinträchtigen, der sich um die Knochen herum befindet, sondern auch die Knochen selbst sowie die Sehnen und Bänder.
Diagnostik
Um möglichst frühzeitig mit einer geeigneten Behandlung zu beginnen, muss zunächst eine sichere Diagnose vorliegen. Das ist im Falle einer JIA nicht immer ganz einfach, da viele Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten können und das Erscheinungsbild der Beschwerden je nach Unterform unterschiedlich sein kann. Umso wichtiger ist eine sorgfältige Diagnostik, bei der üblicherweise verschiedene Methoden eingesetzt werden.
Eine bedeutende Rolle spielt die ausführliche Befragung von Ihnen als Eltern und des betroffenen Kindes. Darin werden Sie unter anderem nach den konkreten Symptomen und dem ersten Auftreten, der Dauer und der Häufigkeit der Beschwerden gefragt. Auch sind Informationen über Ihre familiäre Krankheitsgeschichte hilfreich, um eine mögliche genetische Vorbelastung für Autoimmunerkrankungen zu überprüfen.
Eine gründliche körperliche Untersuchung ist ebenfalls unverzichtbar. Hierbei werden die betroffenen Gelenke auf Schwellungen, Erwärmung und Bewegungseinschränkungen sowie Schmerzen untersucht. Auch eine sorgfältige Kontrolle der Haut und der Augen gehört zur körperlichen Untersuchung dazu.
Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren können ebenfalls wichtige Informationen liefern, um zu bestimmen, welche juvenile idiopathische Arthritis vorliegt oder um andere Erkrankungen auszuschließen. Basierend auf den Ergebnissen des Diagnoseprozesses können wir einen individuellen Behandlungsplan für Ihr Kind erstellen.
Behandlungsansätze
Die gute Nachricht: Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit JIA und anderen rheumatischen Erkrankungen hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. Heute stehen uns verschiedene Behandlungsoptionen zur Verfügung, die wir zu einer individuellen Therapie zusammenstellen können. Denn so einzigartig wie Ihr Kind sind auch Ausprägungen und Verlauf der rheumatischen Erkrankung. Deshalb können auch die Behandlungspläne variieren. Sie bestehen aus verschiedenen Elementen und werden individuell an den Bedarf des betroffenen Kindes angepasst, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Wichtige Elemente der JIA-Behandlung sind
- medikamentöse Therapie
- operative Therapie
- Physiotherapie
Mithilfe von speziellen Medikamenten sollen die Entzündungsmechanismen und die damit verbundene Krankheitsaktivität langfristig unterdrückt werden. Zu den Arzneimitteln, die sich hierfür eignen, gehören unter anderem nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) und Cortison-haltige Medikamente, mit deren Hilfe man die Entzündung unter Kontrolle bringen kann. Daneben werden sogenannte Basismedikamente gegeben, die langfristig vor einem erneuten Ausbruch der Krankheit schützen sollen. Wichtig: Damit die Medikamente ihre Wirkung entfalten können, muss die Dosierung auf das Körpergewicht angepasst werden und die Einnahme muss über einen längeren Zeitraum erfolgen.
Falls die medikamentöse Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringt, kann eine operative Therapie in Erwägung gezogen werden. Dabei wird in der Regel die entzündete Gelenkinnenhaut operativ entfernt. In schweren Fällen können auch Knochenumstellungen oder Gelenkumformungen vorgenommen werden.
Eine ergänzende Physiotherapie kann zur Mobilisierung beitragen und die oft andauernde Fehlbelastung im Alltag der betroffenen Kinder ausgleichen. Sie wirkt falschen Bewegungsmustern (z. B. Schonhaltung) entgegen und verbessert die natürlichen Bewegungsabläufe.
Darüber hinaus gibt es noch verschiedene alternative Behandlungsansätze wie zum Beispiel die Bewegungstherapie oder die Phytotherapie (pflanzliche Wirkstoffe). Lassen Sie sich beraten, welche Behandlungen für Ihr Kind am besten geeignet sind, um die akuten Beschwerden zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten.
Juvenile idiopathische Arthritis im Alltag
Neben der medizinischen Behandlung müssen betroffene Familien im Alltag oft noch einige weitere Hürden meistern. Mit den folgenden Tipps können Sie Ihr Kind im Alltag unterstützen:
1. Ermutigen Sie Ihr Kind zu mehr Aktivität und Bewegung. Lassen Sie sich beraten, welche Sportarten für Kinder mit JIA besonders gut geeignet sind und worauf Ihr Kind beim Schulsport achten sollte (Lehrer informieren!).
2. Achten Sie auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung. Vor allem Lebensmittel, die reich an Omega-Fettsäuren und antioxidativen Stoffen sind, sollten auf dem täglichen Speiseplan stehen, da sie nachweislich entzündungshemmend wirken können.
3. Üben Sie die regelmäßige Medikamenteneinnahme mit Ihrem Kind, sodass diese zum festen Bestandteil des Alltags wird.
4. Üben Sie Entspannungstechniken ein. Sie können helfen, Schmerzen zu lindern und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
5. Schaffen Sie ein positives Umfeld und bieten Sie jederzeit emotionale Unterstützung.
Wichtig: Sie sind nicht allein. Nutzen Sie die Expertise und die Erfahrung von anderen JIA-Betroffenen oder Fachleuten, indem Sie die verfügbaren Hilfsangebote in Anspruch nehmen. Hierzu gehören zum Beispiel:
- Beratungsstellen
- Schulungen für Eltern und Kinder
- Selbsthilfegruppen für Eltern und Kinder
- psychologische Angebote für betroffene Kinder
Ansprechpartner & Kontaktmöglichkeiten
Selbstverständlich stehen auch wir Ihnen als kompetente Ansprechpartner bei allen Fragen rund um die juvenile idiopathische Arthritis gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren und einen persönlichen Beratungstermin zu vereinbaren. Sie erreichen uns telefonisch, per Fax oder E-Mail. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!